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Gesucht: Hochqualifizierte aller Fachrichtungen

Das IW Köln rechnet für die kommenden 15 Jahre mit einem „Bedarf von knapp 1,2 Millionen zusätzlichen Akademikerstellen“. Für die heutigen Studierenden ist das verheißungsvoll: Sie werden gebraucht und ihr Studium scheint sie gegen Arbeitslosigkeit abzusichern. Doch gilt das für alle Studierenden? Bekommen Sprachwissenschaftler/innen dank demografischen Wandels in Zukunft genauso einfach einen Job wie Ingenieure? Wie viele Absolvent/innen aus leidiger Erfahrung wissen, ist der Einstieg in das Berufsleben holprig, denn der Arbeitsmarkt gibt sich höchst selektiv, was die Studienfächer betrifft.

MINT-Fächer sind in der Offensive

Die Selektivität des Beschäftigungssystems lässt sich in der Tat gut entlang der Studie „Hochschulabschlüsse im Umbruch“ der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) nachzeichnen (2009). Die Daten belegen, dass es bisher nicht egal ist, was man studiert. Studierenden von Fächern ohne klaren Berufsfeldbezug, das sind klassischerweise die Geistes- und Sozialwissenschaften, gelingt der Einstieg ins Berufsleben weniger gut als den MINTAbsolvent/innen. Erstere berichten häufiger von Unterforderung, und die „ökonomische Verwertbarkeit“ ihres Studiums ist geringer. Studieren Hunderttausende das Falsche, weil es jobtechnisch schwierig ist und längerfristig berufliche Unzufriedenheit droht? Die Studierenden in den Fächern ohne klaren Berufsfeldbezug sehen es eher gelassen. Trotz der objektiv schlechten Bedingungen beim Berufseinstieg sind sie mehrheitlich doch zufrieden, bereuen ihre Fächerwahl nicht. Die Prognose des IW Köln deutet jedoch darauf hin, dass auch sie demnächst gebraucht werden, in Industrie und Dienstleistungen – und in Branchen, die bisher vor allem die MINT-Studierenden umwerben.

Unternehmen müssen mehr in den Nachwuchs investieren

Methodische Kompetenzen wie „fachliches, auch disziplinübergreifendes Urteilsvermögen, die Fähigkeit zur Nutzung von Recherche- und Arbeitstechniken sowie von Methoden des Zeit- und Projektmanagements“ gehören zum Kern der akademischen Ausbildung. Und natürlich soziale Kompetenzen wie „Kommunikationsfähigkeit auch in anderen Sprachen, Teamfähigkeit und die Fähigkeit zur Nutzung von Präsentations-, Moderations- und Feedbacktechniken“. So steht es in einem Memorandum der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA), des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Hier wird auf Kompetenzen gesetzt, die auch oder gerade  Studierende erlangen, die in den Sozial- und Geisteswissenschaften zu Hause sind. BDA, BDI und HRK legen den Unternehmen nahe, die übergreifenden Kompetenzen aller Hochschulabsolventen zu erkennen, ihnen den Berufseinstieg zu erleichtern und sie bedarfsgerecht weiterzubilden. BDA, BDI und HRK haben erkannt, dass es Aufgabe der Unternehmen ist, in die Weiterbildung und das Kompetenzprofil der Berufseinsteiger/innen zu investieren.

Anders gesagt: Noch tun die Unternehmen aus Sicht der Verbände zu wenig, um nichteinschlägige Absolvent/innen anzusprechen und in ihre Betriebe zu integrieren. Die Arbeitgeberverbände werben darum bei ihren Mitgliedern dafür und setzten entsprechende Programme auf. Diese Initiativen der Verbände sind richtig, denn die Kosten für Personalentwicklung sollten nicht auf die Hochschulen und die Steuerzahler/innen abgewälzt werden. Zudem müssten solche Initiativen sowieso am Bedarf der unterschiedlichen Unternehmen ausgerichtet sein. Erst dann können die Unternehmen das gesamte akademische Potenzial erschließen. Und im demografischen Wandel liegen dann neue berufliche Chancen für alle Studierenden.


Stefanie Groll ist Promovendin an der Graduate School of Politics an der Universität Münster

Der Beitrag ist erstmalig in unserer Campuszeitung vom April 2013 erschienen.